Eine Klassenfahrt nach Colmar

Von dem Versuch, etwas theoretisch Gelerntes praktisch anzuwenden

In Paris schauten sie mich einfach nur an, wenn ich Französisch sprach. Ich habe es nie zuwege gebracht, diese Dummköpfe dahinzubringen, ihre eigene Sprache zu verstehen.

Mark Twain

Ein Zitat – das lernen Schüler schon sehr früh – ist dazu geeignet, nahezu jeden beliebigen Text einzuleiten. In diesem Falle fühlen wir uns dem alten Mark Twain sehr verbunden, denn er bringt das auf den Punkt, was wir bei unserer Studienreise nach Colmar erlebt haben.

Warum wir, die fleißigen Französischlernenden des 13. Jahrgangs zusammen mit dem nicht weniger motivierten Monsieur Balk, überhaupt auf die Idee einer Reise nach Frankreich kamen, war denkbar banal: Wir hatten genug von Rollenspielen im Klassenzimmer, bei denen ein „Restaurantbesuch“ aus verlegenen Kellnern bestand, Französischlehrbücher als Speisekarten herhalten mussten und die Auswahl der zu wählenden Gerichte geradezu lächerlich anmutete. Und das Hauptproblem liegt auf der Hand: Zu Essen gab‘s nix, egal wie perfekt man sein eingeübtes Sätzchen vorzutragen wusste.

Nirgends lernt man eine Sprache besser als in dem Land, in dem sie gesprochen wird. So machten wir uns am ersten Wochenende der Osterferien auf die Reise in das wunderschöne, vorfrühlingshafte Colmar im Elsass (na gut, vielleicht ging es uns nicht nur um die Sprache, sondern auch ums Essen).

Die Deutsche Bahn überraschte mit Pünktlichkeit. Übrigens fuhren wir nicht über die Grenze, sondern wir überschritten diese zu Fuß innerhalb eines Bahnhofs (gesegnet sei das Schengener Abkommen), und so erreichten wir Colmar termingerecht, hochmotiviert und voller Vorfreude. Weit war es nicht bis zu unseren Apartments, aber Monsieur Balk startete schon bei den ersten Schritten auf französischem Boden sein wohldurchdachtes Pädagogikprogramm: Er teilte Stadtpläne aus, auf denen alle wichtige Orte Colmars eingezeichnet waren. Nur unsere Unterkunft nicht. Die passte nicht mehr drauf. Müsse sie ja auch nicht, man könne ja jemanden nach dem Weg fragen. Auf Französisch. Hätten wir ja gelernt.

Aber auch eine perfekt einstudierte Frage nützt wenig, wenn man von der Antwort überfordert ist. Also haben wir unsere Unterkunft selbst gesucht und erfolgreich gefunden. Dort waren die netten Damen an der Rezeption leicht verwirrt, weil in einer Gruppe Reisender sich ausgerechnet diejenigen mit der fremden Sprache abmühen, die sie am schlechtesten konnten… Aber alles kein Problem! In Colmar ist man auf deutsche Touristen eingestellt, was sich später noch als nachteilig erweisen sollte, wenn man Französisch üben will.

Den Anreisetag verbrachten wir schlendernd durch die Stadt, besuchten ein kleines Atelier mit einer „Live Mal-Performance“ und machten uns schließlich hungrig und mit Restaurantvokabular ausgerüstet auf die Suche nach einem Stück echter französischer Speisekultur.

Wir fanden sie in einem hübschen, mehrstöckigem (!) Restaurant (nirgends gibt es sportlichere Kellner), wo uns die Bedienung fröhlich mit einem fundierten Deutsch bedachte. Wir mussten sie bitten, mit uns Französisch zu sprechen. Das konnten wir, das hatten wir schließlich geübt, und diesmal gab es endlich auch etwas zu Essen, nachdem wir etwas bestellt hatten!

Satt und reisemüde ging‘s ins Bett und wir verabredeten uns – ganz klassenfahrtuntypisch – am nächsten Morgen zu später Uhrzeit zum gemeinsamen Frühstück in einem unserer kleinen Apartments.

Den folgenden Tag begannen wir also mit Baguettes, noch mehr Baguettes, Croissants, Pains au Chocolat und Escargots (Rosinenschnecken) und machten uns dann los, um eine kleine Tour im Holzkahn über das durch Colmar fließende Flüsschen Lauch zu machen. Der Bootsführer war geübt im Herumschippern internationaler Besucher und informierte durchgehend dreisprachig – Deutsch, Englisch und natürlich Französisch.

Den Weg zum Unterlinden-Museum fanden wir erneut, ohne jemanden nach dem Weg fragen zu müssen, und trieben uns den Nachmittag lang durch die Gänge des Museums, in dem hauptsächlich Kunst unterschiedlicher Epochen ausgestellt wird.

Nach einem Tag in der Stadt ging es zurück in unsere Unterkunft, die übrigens mit einem Schwimmbad ausgestattet war. Es war nicht viel mehr als ein großzügiges Planschbecken, aber auch volljährige Schüler werden auf Klassenfahrten wie auf Knopfdruck zu Kindern und haben dann eine Menge Spaß.

Den Abend verbrachten wir gemeinsam in einem unserer Apartments, wobei wir den Tisch von nebenan hatten heranschleppen müssen. Das war etwas eng, aber das selbstgekochte Essen erwies sich als lecker und die Stimmung erreichte ihren Höhepunkt, als wir Postkarten an Monsieur Balks Mutter und an Frau Kraus-Lindner schrieben. Wobei jeder Satz mindestens hundertmal durchdiskutiert wurde („Darf man schreiben, dass man eine Bootsfahrt gemacht hat? Oder ist das zu gefährlich?“).

Am nächsten Morgen war schon Packen angesagt, aber weil unser Zug nach Hause erst am frühen Abend gehen sollte, erledigten wir noch alles, was es zu erledigen gab: Éclairs in allen Sorten und in rauen Mengen kaufen, ebenso wie Macarons (wobei wir hier einsahen, dass man mit Händen, Füßen und einzelnen französischen Wörtern nicht immer besonders weit kommt, was Mark Twain wohl ähnlich ging), Flammkuchen essen und immer wieder freundlich darauf hinweisen, dass wir doch bitte eine französische und keine deutsche Erwiderung bekommen möchten, wenn wir stolz einen vollständigen französischen Satz zusammengebastelt haben – der auch noch verstanden wurde!

Mit einem angefutterten Essensvorrat, der bis zum Osterwochenende gereicht hätte, und unseren sieben Sachen stiegen wir am Abend in den Zug und kamen wohlbehalten und vollzählig am späten Abend in Würzburg an.

Was haben wir auf unserer Studienreise gelernt? Die Franzosen sprechen tatsächlich so, wie die aus dem Lehrbuch. Und mit etwas Glück verstehen sie auch, was man ihnen versucht mitzuteilen.

Außerdem ist Frankreich immer ein gutes Ziel, wenn man Wert auf kulinarische Besonderheiten legt. Oder einfach nur gerne frühstückt.

Norah Hilsebein